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Alpenrap /
Alpsegen in Äsch im Kanton Uri
MIGROS MAGAZIN Nr. 38, 15. September 2008 Der Beruf ist Männersache. Doch in Äsch im Kanton Uri führt eine Frau die Tradition weiter. Rosi Arnold fleht bei Gott und den Heiligen um Schutz vor Gefahr. Die Kuhweide Äsch hinter Unterschächen UR, 1250 Meter hoch gelegen, wird von den Einheimischen als Alp bezeichnet. Doch wer genauer hinschaut und noch die Landeskarte 1: 2500 konsultiert, stellt fest, dass die Alp ein richtiges kleines Dörfli ist, mit an die 50 Häuser, Ställe und Heugaden - wenn man den kleinen Weiler mit dem schönen Namen Chäsgädmeren mitzählt. Äsch ist privilegiert, denn es verfügt über einen "hauseigenen", 100 Meter hohen fotogenen Wasserfall, den Stäubenfall, der schäumend und geräuschvoll das Gletscherwasser ins Tal befördert. Hier oben, in diesem Talkessel am Fuss der Furkapassstrasse, herrscht jeweils im Sommer viel Betrieb. Dann wird das Heu eingebracht. Kühe weiden auf den Matten, um elf Uhr und um sieben Uhr abends läutet hell das Glöcklein der kleinen Kapelle, und wenn der Tag der Nacht zu weichen beginnt, schallt es weit ins Tal hinaus: "Gott Chüeli zu lobä, aw Schritt aw Tritt, i Gottsnamä lobä, hiä uf därä Alp lit ä goldänä Ring, da wohnt diä liäb Müettergottas mit sim härzawerliebschtä Chind." Der Betruf war ein Erbe des Vaters Es ist Rosi Arnold, die mit ihrem Sprechgesang den Alpsegen (oder Betruf) in den hölzernen Trichter spricht. Die tüchtige Unterschächerin, aufgewachsen in einem Heimetli mit 15 Geschwistern, ist mit ihrem Alpsegen in eine Männerdomäne eingedrungen. Aber nicht etwa, weil sie sich besonders hervortun wollte. Nein, dass sie sich jeden Abend beim "Mängglä", wie sie das Einnachten nennt, aus dem Haus begibt, hat zwei Gründe: Schon ihr Vater, ein Landwirt, pflegte dieselbe Tradition und hat auch den Text entworfen. Und als Rosi Arnold vor 16 Jahren erstmals einen Sommer auf Äsch verbrachte, übernahm ebenfalls eine Frau den Betruf. "Sie hat dann aufgehört, und so bin ich eben in die Lücke gesprungen", sagt Arnold. Ihr Mann Felix und die drei Kinder im Alter zwischen 13 und 19 Jahren freuen sich immer schon früh im Jahr, bis es wider "z Alp" geht. Dies ist je nach Wetter von Juni bis etwa 20 September der Fall. In dieser Zeit melkt und versorgt die Alpsegnerin die zwei oder drei Pachtkühe allein. Tagwache ist schon um 5.30 Uhr. Nach dem Melken stellt sie würzige Alpbutter her. Der Rest der Familie kehrt meistens erst am Abend auf die Alp zurück, um dort die Nacht zu verbringen. "Dr heilig Johannes, där säw iis bhiätä und bewahrä vor Blitz, Unwätter und Haguschlag." Der Trichter aus Fichtenholz ist mit einem geschnitzten Edelweiss verziert. "Diesen Trichter brauche ich nur für den Alpsegen als Verstärker, er ist handgeschnitzt", sagt Rosi Arnold, und ihre blauen Augen leuchten in dem während der Heuernte braun gebrannten Gesicht. Nicht ohne Stolz verkündet ihr Mann Felix, dass Rosi sogar schon am Älplerwunschkonzert auf dem Urnerboden für eine Radiosendung den Alpsegen gerufen hat. Die Naturgewalten als Bedrohung Hier oben gebärdet sich die Natur öfters gar garstig. Manchmal fällt selbst im Sommer Schnee. "Dieses Jahr haben wir aber Glück gehabt", sagt Rosi Arnold. Einen Tag vor dem Besuch des Migros-Magazins konnten die Kinder von der Alp nicht zur Schule nach Unterschächen hinab. Die Strasse war zu, weil sie von einer Rüfe verschüttet worden war. "Es gab ein abnormal heftiges Gewitter, ganz unsinnig hat es getobt", berichtet die Frau. Auf dem Weg zur Alp zeugen gewaltige Schneisen im Wald von der Wucht der Lawinen. Die Rosslauwi bringt jeden Winter ungeheure Schneemassen ins Tal, bis ins Bachbett hinab. Wegen der Bedrohung durch die Natur enthält Rosis Alpsegen auch Fürbitten gegen Übel und Gefahren wie: "Und diä heilig Sankt Agatha, diä säw iis bhietä und bewahrä vor übermässigem Füür und Wasser." An der Fassade des sonnverbrannten Hauses der Familie Arnold hängen Flaschen, gefüllt mit Johannisöl. Das sei gut gegen Gicht, weiss Felix. Ums Haus grünen üppig Brennnesseln, Alpenampfer und bunte Zierblumen. Vor den Fenstern warten gepflegte Geranien, bis sich die Sonne auch in diesen eher schattigen Teil von Äsch bequemt. "Jetzt, im Herbst erscheint sie sehr spät. Dafür bleibt sie am Abend ziemlich lange", klärt Rosi Arnold ihre Besucher auf. Bald ist es Zeit, die Kühe zu melken. Sie finden meistens selbständig den Weg in den Stall. Die Tiere bleiben Tag und Nacht im Freien. "Dann geben sie mehr Milch, als wenn wir sie im Gaden lassen", hat Rosi herausgefunden. Schon bald wird wieder der nächste Alpsegen ausgerufen. Und ein weiterer arbeitsreicher Tag geht zur Neige. "Es walte Gott und iiserä Landesvater Brüeder Chlais, där saw iis beschütz vor Krieg und Hungersnot!" Sobald das Echo dieser letzten Worte an den schroffen Felswänden verhallt ist, folgt ein kräftiger, übermütiger Juchzer. Text Carl Bieler Bild Ruben Wyttenbach Rosi Arnold beim Ausrufen des Alpensegens |
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