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Wildheuen im Kanton Uri

Korporation Uri Geschäftsbericht 2008

Die letzten Wildheuer

Sie sind die letzten ihrer Art. Die Wildheuer von Uri pflegen mit ihrer strengen und nicht immer ungefährlichen Arbeit die steilsten Weiden der Korporation Uri und tragen so zu einem natürlichen Landschaftsbild bei.

Noch immer liegt die kühle Nachtluft über den Weiden. Die ersten Strahlen der Morgensonne tauchen die Hänge am Rophaien oberhalb von Flüelen in ein warmes, goldenes Licht und bringen die Tautropfen an den Grashalmen zum Funkeln. Es ist kurz vor sechs und Arbeitsbeginn für Karl Gisler. Der junge Landwirt vom Gruonbergli geht heute in die Wildi, denn das Gras an den Hängen ist lang und Herr Bucheli vom Schweizer Fernsehen hat einen sonnigen, trockenen Sommertag angekündigt. Heute ist ein ziemlich hochgelegner Blätz dran und so macht sich der Wildheuer zeitig auf den Weg: im Gepäck seine Handsägesä, das Wetzfass, den Dangelhammer und einen Dangelstock. Steigeisen hat er auch dabei, denn die Route ist steil. Wildgeheut wird in der Regel über der Baumgrenze, alle zwei bis drei Jahre. Das in der Zwischenzeit gewachsene Gras fault jeweils herunter und wirkt als natürlicher Dünger. Ansonsten werden die Gebiete nie gedüngt.

Wer Wildheuen geht, muss nicht nur früh aufstehen, sondern auch ein geübter, schwindelfreier Berggänger sein. "Definitiv, die Wildi ist nichts für Leute mit Höhenangst", lacht Karl Gisler. "Aber ich sage immer: Es ist nicht gefährlicher als Auto fahren." Die Hänge am Rophaien bilden das grösste zusammenhängende Gebiet, wo noch Wildheuen betrieben wird. Zum Mähen verwendet Karl Gisler eine herkömmliche Sägesa. Nicht das grösste Modell, sondern eine Handsägesa. Lässt ihre Schärfe nach, schleift Gisler sie mit dem Wetzstein, den er im mit Wasser gefüllten Wetzfass lagert. Gelegentlich muss er auch die verbogene Schnittfläche wieder in Form bringen. Einige gezielte Schläge mit dem Dangelhammer - der stumpfe Dangelstock dient als Unterlage - und weiter gehts.

Ist das geschnittene Gras trocken, was normalerweise nach einem Sommertag der Fall ist, wird es zusammengerecht und mit Hilfe eines Garä (Netz) zu einem dicken Bündel geschnürt. Dieser so genannte Pinggel kann bis zu 60 Kilogramm wiegen! Eine echte Knochenarbeit für Karl Gisler, der sogar beim Abtransport auf traditionelle Technik vertraut. Nach alter Wildheuer Sitte seilt er den Pinggel ins Tal ab, anstatt ihn mit dem Heli wegfliegen zu lassen. "Das Abseilen ist gratis. Heliheuen lohnt sich erst bei Flächenbeiträgen", erklärt Karl Gisler. um den Pinggel abseilen zu können, wird er mit einem Haken an das Seil gehängt, an welchem er beinahe lautlos ins Tal saust. Wie ein gigantisches, weit verzweigtes Spinnennetz verbinden diese effektiven Transportwege die Hänge im Rophaien-Gebiet.

Gegen acht Uhr abends neigt sich auch der Tag in der Wildi allmählich seinem Ende zu. Morgen früh wird Karl Gisler die nächste Weide in Angriff nehmen und dabei auf die Hilfe seines Schwiegervaters zählen können. Auch seine Frau wird mit anpacken, während sich ein Babysitter um die Kinder daheim kümmert. Karl Gisler ist froh über die familiäre Verstärkung: "Äs isch schwierig, Personal z'findä fir y d'Wildi."

Der Wildheupfad am Rophaien

Wer das Wildheuen hautnah erleben möchte, kann dies seit dem Sommer 2008 auf dem ersten Schweizer Wildheupfad tun. Der lehrreiche Erlebnisparcours beginnt bei der Bergstation Eggberge und endet bei der Bergstation Axen. 15 Posten erlauben Gross und Klein, das traditionsreiche Handwerk mit allen Sinnen wahrzunehmen. Sogar die Geruchsnerven kommen während der gut vierstündigen Wanderung auf ihre Kosten, lassen sich bei der Schnupperstation doch einige typische Düfte des Wildheuens herausriechen. Jeder Posten wurde vom Urner Künstler Toni Walker liebevoll aus Holz gestaltet und ist mit einer Klapptafel versehen. Eine Informationsbroschüre mit Wanderflyer kann bei Tourist Info Uri bestellt werden.

Dazu ein Gedicht von Franz Mattli
Dr Wildheiwer

Er dängelt d'Sägese und will de is Heiw,
Is Wildheiw wit obe am Band,
Wo d'Gämschi weidet zur Summerszit,
Bi d'r iberhängende Wand.

Es isch e chly g'fährlich, das weiss er ja scho,
Dert lüret d'r gähligi Tod.
Doch mängisch isch er dert g'stande im Kampf
Ums Läbe und d's täglichi Brot.

Er steichlet d'r Frai nu die wildblonde Haar
Usem runde und rosige G'sicht
Und g'seht grad, wie usem Aigepaar
Ganz heimlich es Träneli bricht.

B'hiet Gott, liebi Frai. Ade liebi Chind.
O machet ych nid unitz bang.
Ich känne d'r Wäg, bi schwindelfry
Und ha ganz en sichere Gang.

Er stampfet d'r Bärg üf im Morgetaiw,
Es glitzeret und glänzet im Chlee.
Dert hech uf em Felse, da chehrt er sich um,
G'seht dunne sys Hittli und Veh.

Da schwingt er sy Sägese, jützt lustig is Tal -
Vom Felse teents siebemal zrugg -
S'isch grad, eb eim epper foppe wett
Und doch isch alls nur en Lug.

Jetzt mäihet er d's Gresli, en magere Nätsch,
Grad z'usserst am felsige Band
Und was er nid mit d'r Sichle verwitscht,
Das rupft er halt ab mit d'r Hand.

Doch wonner sich streckt und lähnt gege d's Bord,
Da lodelet en mächtige Stei.
Der polteret is Tal, - d'r Heiwer rysst's mit -
Dur d'Luft teent e grüsige Schrei.

Zerschmättert lyt d'r Heiwer im Grell,
Nu g'sund und grad vorere Stund.
Wer trestet ächt d'Frai und die härzige Chind,
Wenn d'r Vater am Abig nid chunt?

Wer b'sorgt jetzt d's Vehli, d'Geisse und d'Chue?
Wer schaffet jetzt Chleider und Brot?
Wer hilft jetzt dem Fraieli d'Geefli erzieh,
Beschitzt sy i Triebsal und Not?

Franz Mattli
Mys Ürnerland
Druckerei Huber, Altdorf
1936


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