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1886 Alphonse Daudet / Aus: Tartarin in den Alpen / Verlag von H.Le Soudier 1886

...Auf Rigi-Kulm hatte er den Schnee verlassen. Unten, am See, traf er wieder den feinen, dichten, unerschöpflichen Landregen an, durch dessen Schleier die Berge wie in verwischter Kreidezeichnung gleich fernen Wolken sich ausnahmen.

Der Föhn wehte. Auf dem See stürmten die weissen Schaumwellen dahin, auf denen die niedrig fliegenden Möwen sich zu wiegen schienen. Man hätte sich auf offnem Meere glauben mögen. Und Tartarin erinnerte sich des Tages, als er vor fünfzehn Jahren, zur Löwenjagd gehend, aus dem Hafen von Marseille hinausfuhr, dachte des wolkenlosen, von goldnem Lichte strahlenden Himmels, des blauen, aber wahrhaft indigo-blauen Meeres, das vom Mistral mit Millionen weissblitzender Krausen und Schleifen herausgeputzt war, und dazu die Trompeten der Forts, das Läuten sämmtlicher Glocken, der Rausch, die Freude, die Sonne, die Zauber der ersten Reise!

Welcher Unterschied mit dem von der Feuchtigkeit geschwärzten, fast verlassenen Verdeck, auf welchem er in dem dichten Nebel, wie durch Ölpapier, einige in Ulsters und abscheuliche Kautschuks gekleidete Passagiere und den Steuermann unterschied, der hinten unbeweglich, mit ernstem, sybillinischem Gesicht in seinem Matrosenmantel dastand. Und über ihm in drei Sprachen eine Tafel mit den Worten:

"Es ist verboten, mit dem Steuermann zu reden."

Das Verbot war sehr unnütz, denn Niemand an Bord des Winkelried sprach ein Wort, eben so wenig auf dem Verdeck, wie in den Salons der ersten und zweiten Klasse, beide gepfropft voll mit Reisenden, die sehr saure Gesichter machten, zwischen ihrem auf den Bänken zerstreuten Gepäck schliefen, lasen, gähnten. So denkt man sich ein Schiff mit Deportirten am Tage nach einem Staatsstreich.

Von Zeit zu Zeit kündigte die heisere Dampfpfeife die Nähe einer Station an. Schwere Schritte auf dem Verdeck, das Geräusch vom Hin und Her des Gepäcks. Das Ufer wird allmälig kenntlich, es nähert sich ein dunkelgrünes Gestade. Vor Kälte schlotternde Villen in überschwemmten Gärten, lange Pappelreihen am Rande aufgeweichter Strassen, prunkende Hotels mit goldnen Buchstaben an der Front, Hotel Meyer, Hotel Müller, Hotel du Lac, und gelangweilte Gesichter hinter den triefenden Fensterscheiben. Man berührte die Landungsbrücke, Leute stiegen aus und ein, alle gleich schmutzig, durchnässt und schweigsam.

An dem kleinen Hafen ein Gehen und Kommen von Regenschirmen und rasch verschwindenden Omnibus. Dann versetzen die grossen Schaufelräder das Wasser wieder in schäumenden Aufruhr, das Ufer entfernt sich und versinkt mit den Pensionen Meyer, Müller, du Lac, deren einen Augenblick geöffnete Fenster in allen Etagen wehende Taschentücher, flehend ausgestreckte Arme zeigen, welche eindringlich zu sagen scheinen: "Gnade, Erbarmen, nehmen Sie uns mit... o, wenn Sie wüssten...!"

Bisweilen kreuzte der Winkelried auf seiner Fahrt einen andern Dampfer mit dem Namen in goldnen Buchstaben auf dem weissen Tambour: Germania.... Wilhelm Tell... Stets dasselbe düstre Verdeck, dieselben glänzenden wasserdichten Mäntel, derselbe klägliche Anblick, ob nun das Gespensterschiff in dieser oder jener Richtung sich bewegte, dieselben trostlosen Blicke von einem Bord zum andern. Und alle diese Leute reisten zu ihrem Vergnügen und waren um ihres Vergnügens willen eben solche Gefangene wie die Pensionäre der Hotels du Lac, Meyer und Müller! (...)

Und es regnete, und der Himmel war trüb! Um ihn vollends zu verfinstern, hatte sich ein ganzer Trupp Gardistinnen der Heilsarmee. die man in Beckenried aufgenommen, ein Dutzend plumper Mädchen mit blödem Gesicht, in marineblauen Kleidern und Kate-Greenaway-Hüten, unter drei riesigen Regenschirmen auf dem Verdecke niedergelassen und sang dort geistliche Lieder. Ein langer, dürrer Mann mit irren Augen begleitete sie auf dem Accordeon. Ihr schrillendes, schleppendes, unharmonisches, an das Geschrei der Möwen erinnerndes Gesinge drang überall durch, durch die Regenfluth, durch den schwarzen Rauch der Maschine, den der Wind nach unten drängte. Noch niemals in seinem Leben hatte Tartarin etwas so Jammervolles gehört.

In Brunnen stieg die Truppe aus, nachdem sie die Taschen der Reisenden mit frommen Traktätlein gefüllt hatte; und fast in demselben Augenblick, als das Accordeon und der Gesang dieser armen Larven aufhörte, öffneten sich die Wolken und liessen ein Stück klaren Himmels sehen.

Jetzt lenkte man in den Urner See zwischen hohen steilen Bergen ein; auf der Rechten, am Fusse des Seelisberg, zeigten sich die Touristen das Rütli, wo Stauffacher, Walther Fürst, Melchthal und andere Verschworne den Eid für die Befreiung des Vaterlandes schworen. Tartarin, sehr ergriffen, entblösste feierlich sein Haupt, ohne auf die verwunderten Leute um ihn her zu achten; er schwenkte sogar drei Mal seine Mütze in der Luft, um den Manen der Helden seine Ehrfurcht zu bezeigen.

Einige Reisende täuschten sich über seine Absicht und erwiderten höflich seinen Gruss. Endlich gab die Maschine ein heiseres Signal, das vom Echo in dem engen Raum wiederholt wurde, und die Tafel an der Landungsbrücke kündete Tellsplatte an.Man war am Ziel.

Die Kapelle liegt fünf Minuten von der Landungsstelle, am Ufer des Sees, etwas oberhalb der Felsplatte, auf welche Tell sich schwang, als er Gessler mit dem Schiff in den stürmischen See hinausstiess. Für Tartarin, als er längs des Sees den Touristen mit den Rundreise-Billets folgte, war es ein hoher Genuss, diesen historischen Boden zu betreten, sich der Hauptepisoden des grossen Dramas zu erinnern, das er gleich seiner eigenen Geschichte kannte. (...) Nun denke man sich seine Wonne und wie das Herz ihm pochte, als er vor die von der Dankbarkeit eines ganzen Volkes errichtete Erinnerungskapelle trat. Ihm war es, als müsste Wilhelm Tell in eigner Person, seine Kleider noch feucht vom Wasser des Sees, Armbrust und Pfeile in der Hand, ihm die Thür öffnen.

"Man kann heute nicht eintreten.... Ich arbeite.... Es ist heute nicht der Tag", rief eine kräftige Stimme von innen.

"Monsieur Astier-Réhu, de l'Academie francaise!"

"Professor Schwanthaler aus Bonn!"

"Tartarin de Tarascon!"

In dem kleinen Spitzbogen über dem Portal erschien die Büste des Künstlers in einer Arbeitsblouse, die Palette in der Hand. "Mein famulus wird herunterkommen und Ihnen öffnen", sagte er ehrerbietig.

Das wusste ich wohl, dachte Tartarin. Ich brauchte mich nur zu nennen. Er hielt sich indessen bei Seite und trat bescheidentlich nach den Andern ein. Der Maler, eine herrliche Gestalt, ein strahlender Künstlerkopf aus der Renaissance Zeit, empfing die Besucher auf der hölzernen Treppe, welche auf das provisorische Gerüst für die Ausführung der Malereien an den oberen Wänden der Kapelle führte. Die Fresken, welche die Hauptereignisse aus dem Leben Wilhelm Tells darstellten, waren bis auf eine, die Apfelschuss-Scene auf dem Platze zu Altdorf, beendigt. Er arbeitete in diesem Augenblick daran, und sein junger Famulus, mit dem lockigen Haar eines Erzengels, nackten Beinen und Füssen, stand ihm Modell für den Knaben.

Alle diese Personen in mittelalterlichem Kostüm, roth, grün, gelb, blau, in mehr als natürlicher Grösse, um auf eine gewisse Entfernung, von unten, gesehen zu werden, verfehlten ihren Eindruck auf die Beschauer nicht. "Ich finde, das ist ein Bild von bedeutendem Charakter", sagte der feierliche Astier-Réhu. Und Schwanthaler, der seinem Rivalen nicht nachstehen wollte, citirte, einen Feldstuhl unter dem Arm, zwei Schillerische Verse, von denen die Hälfte sich in seinem langen, dünnen Barte verlor. Dann drückten die Damen ihr Entzücken aus und einen Augenblick lang hörte man nur das: "Schön!... o, schön!... Yes.... lovely....Exquis... delicieux..." (...)

Er stellte sich im Geiste die ganze historische Schweiz vor, die von diesem imaginären Helden lebte, ihm Kapellen auf den Plätzen der kleinen Orte und in den Museen der grossen Städte Bildsäulen errichtete, patriotische Feste für ihn veranstaltete, zu denen man mit flatternden Fahnen aus allen Kantonen herbeiströmte. Bankette, Trinksprüche, Reden, Gesänge, ergreifende Seelenstimmungen, Alles das für den grossen Patrioten, von dem ein Jeder wusste, dass er niemals gelebt hatte. (...)


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